...Ende Mai 1941 wurde mit dem Bau des Engelser Irrigationssystems auf der Wiesenseite der Wolga begonnen. Die Bauorganisation hieß "Engelsstroi" und wurde von einem Baurat geleitet, an dessen Spitze Georg Brandt, ein tuchtiger Organisator und glänzender Redner, stand. Auf seine Initiative hin wurden an der Trasse die Kolchosbauern, sobald sie zum zeitweiligen Einsatz am Bauvorhaben eingetroffen wären, zu Meetings zusammengerufen. Manchmal fanden sich 6500 bis 6700 ein. Im sozialistischen Wettbewerb wurden hohe Verpflichtungen übernommen. Es ging damals fast nur um Erdarbeiten, nur an der zweiten Pumpstation bei Ternowka liefen schon Betonierungsafbeiten. Die Gebietszeitungen "Nachrichten" und "Bolschewik" erhielten den Auftrag, eine Tageszeitung in Kleinformat in deutscher und russischer Sprache herauszugeben, die über das Bauvorhaben zu berichten hatte. Redakteur des "Stachanowarbeiter des Engelsstroi" wurde Robert Pretzer, seine Stellvertreterin - Anna Lossewa. Harry Schnittke, Wladimir Wodopjanow, Alexander Semjonow und ich wurden Mitarbeiter des Blattes. Wenn ich jetzt an diese Arbeit zurückdenke, kommt jedesmal eine gehobene Stimmung über mich. Ich blättere in ein paar Zeitungen, die sich bei mir wie durch ein Wunder erhalten haben, und sehe meine Freunde aus der Redaktion, Kolchosbauern und Parteiarbeiter vor mir. Es war für uns Zeitungsleute kein Honiglecken dort am Irrigationsbau, genau wie es für die Kolchosbauern keins war. Aber es war uns eine Herzensangelegenheit, ein Bauvorhaben, das uns von einer lichten Zukunft träumen ließ. Allen 22 Kantonen wären Bauabschnitte zugeteilt worden, und wir wären stets "in Fahrt", ich persönlich oft von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Und wenn ich dann meine Korrespondenzen geschrieben und Robert Pretzer übergeben hatte, sagte er belustigt:
"Na, Klemens, bei dir geht s Artikelschreiwe, wie bei dr Sau s Ferkele..." Schnittke lachte, daß ihm die Tränen kamen, ich lachte natürlich auch.
"Wie wolle mir dann anrsch fertig wern", erwiderte ich, "du sehst jo, wie lang dr Kanal is un wieviel Mensche un ihre Arweit do zu bschreiwe sein..." Ja, da mußte "gstramplt" werden.
Spätabends, als das Tagespensum erledigt war - Schnittke mußte dabei oft Korrespondenzen ins Russische und ins Deutsche übersetzen - fielen wir in unseren Zelten auf die Klappbetten hin, ohne sogar Abendbrot gegessen zu haben. Der Schlaf übermannte uns sofort. Sehr produktiv arbeitete unser Fotokorrespondent Johannes Wilhelmi, ein rastloser Zeitungsenthusiast und vortrefflicher Meister seines Fachs. Wenn ich mir heute seine Zeitungsfotos ansehe, habe ich jedesmal feuchte Augen - "Iwan Iwanytsch" steht wie eh und je mit seinem Fotoapparat über der Schulter, erklärt, wie er sich diese oder jene Aufnahme denkt, und lächelt mir fröhlich zu...
Die Kolchosbauern arbeiteten mit solchem Schwung, daß sie täglich bis zu 43000-45000 Kubikmeter Erde aushoben, am Kanal entlang aufbetten und auch noch feststampfen konnten. Dabei gab es damals keine Straßenwalzen; oft wurden sogar Dreschsteine zum Stampfen benutzt. Viele Männer und auch Frauen hoben täglich 8 bis 10 Kubikmeter Erde aus, während die Tagesnorm 4,96 Kubikmeter betrug.
Damit der Leser die Atmosphäre am Kanalbau besser zu spüren bekommt, sei folgende Korrespondenz angeführt. Die handelnden Personen sind Mitglieder der Brigade aus dem Dorf Herzog, Kanton Mariental.
Gespräch am Standort
Nach dem Mittagessen steckten die Kolchosbauern ihre Pfeifen in Brand und ruhten aus. Die Arbeit am Kanal ist nicht leicht, aber wie dankbar wird sie sein! Wenn das Wolgawasser mal durch diese großen und kleinen Kanäle fließen wird und die Felder noch hübscher blühen werden, können die Kolchosbauern nicht umhin, sich an diese ihre Arbeit zu erinnern. O ja, werden sie sagen, auch ich trug mein Scherflein hierzu bei und half diesen Abschnitt in fruchtreiches Feld zu verwandeln...
"Genosse Terre! Sage mal, was wir gestern geleistet und verdient haben", wandte sich ein Kolchosbauer an den Tabellenführer.
"Ludwig Junker hob 18 Kubikmeter Erde aus und erarbeitete 8,84 Arbeitseinheiten; dasselbe tat auch Peter Remme..."
"Das ist eine Leistung, das ist ein Verdienst!" rief begeistert ein junger Kolchosbauer.
"...Lydia Hergert hob 13,5 Kubikmeter aus und verdiente 6,4 Arbeitseinheiten", fuhr Terre fort, "und Melchior Linneberger hob 17 Kubikmeter Erde aus..."
Die Kolchosbauern erhoben sieh und setzten sich um den Tabellenführer herum, der seine Information fortsetzte.
"Möchte ich doch wissen, wie die eine solche Leistung erreichen!" rief wieder der junge Kolchosbauer, "acht-neun Kubikmeter, das begreife ich noch, so viel hebt fast jeder aus, aber siebzehn - das ist sehr viel!" Er überblickte seine Kollegen.
"Genosse Linneberger, erzähle mal, wie du solche Leistungen erreichst", wandte sich der Brigadier Dinkel an einen alteren Mann. Und Linneberger antwortete:
"Mir scheint, man muß gleichmäßig, ich möchte sagen fließend arbeiten. Wenn mich jemand beobachtet, könnte er sogar sagen: Wie langsam ist doch dieser Mann! Wie erfüllt er nur seine Aufgabe? Das wäre aber nicht richtig geurteilt. Man darf nicht so hasten und flattern, daß man nach zehn Minuten schon atemlos nach Luft schnappt, wie das zum Beispiel Ewald Schätz tut..." Linneberger zeigte mit der Pfeife auf einen starken Jungen, der neben ihm saß. Der Junge wurde ein wenig verlegen. "Ich will dich nicht tadeln, Schätz", fuhr Linneberger fort, "du hast nicht wenig ausgehoben, ich meine acht Kubikmeter. Aber ich muß sagen, daß du mit deinen ,Forteln' keine große Leistung erreichen kannst. Fünf bis zehn Minuten lang steht um dich herum eine mächtige Staubwolke, aber dann ruhest du eine halbe Stunde lang aus... Dann muß ich sagen, daß eine große Bedeutung selbst der Schippe zufällt: Der Stiel muß länger and die Schaufel breiter sein; auch die Schärf- und Wetzinstrumente, z. B. die Feilen, müssen immer zur Hand sein, die Schippe muß doch spitz und scharf sein! Dann dringt sie tief in die Erde ein." Linneberger zündete wieder seine Pfeife an und fuhr fort:
"Im vorigen Jahr arbeitete ich am Bauvorhaben im Dorfe Luis am Luisstroi, wie man sagt, wo Erdgas entdeckt wurde. Eines Morgens schärfte ich meine Schippe und ging früh zur Baustelle, ich wollte mal probieren, wieviel Erde man ausheben kann, wenn man will. Die Arbeit flutschte nur so, der späten fuhr bis ,über die Ohren' in den Boden. Am Abend kamen die Kontrolleure, stellten ihre Messungen an und sagten dann: ,Weißt du, Melchior, wieviel Erde du heute ausgehoben hast? Vierundzwanzig Kubikmeter!' Das war meine Rekordleistung."
Der ältere Mann schloß seine Information - es war Zeit, an die Arbeit zu gehen.
Die Kolchosbauern erhoben sich und verließen mit heiterem Gespräch das Zelt. Der Wind stürmte gegen den gelben Erddamm, und der Staub flog ihnen ins Angesicht. Aber sie gingen ihres Weges, machten keinen Halt. Am Magistralkanal nahmen sie neben Hunderten anderen Kolchosbauern ihre Plätze ein, um ihre Herzensaufgabe zu erfüllen. Unter ihnen war auch der junge Ewald Schätz; jetzt bemühte er sich, gleichmäßig, fließend zu arbeiten. Ein harter Druck auf den Spaten und er drang tief in die Steppenerde. Der "Nasenstüber" des alten Linneberger war für ihn von Nutzen...
Klemens Eck
("Stachanowarbeiter des Engelsstroi" vom 5. Juni 1941)
Ähnliches war in vielen Brigaden während der Ruhepausen zu beobachten. Zurückbleibende Brigaden, Kolchosvorsitzende und Leiter der Kantonebene wurden scharfer Kritik unterzogen. Das trug zum rechtzeitigen Abschluß der Bauarbeiten, und zwar am 20. Juni, bei. Manche Kollektivwirtschaften und Kantone wurden sogar am 13. bis 15. Juni fertig. Die Kolchosbauern wären sehr stolz auf ihre Leistung, verbargen nicht ihre Freude.
In der Reportage "Als sie Abschied nahmen", die in den "Nachrichten" und im "Stachanowarbeiter des Engelsstroi" am 15. Juni erschien, hieß es darüber:
"Als der Vorsitzende der Kollektivwirtschaft, Genosse Bien, gesprochen hatte, forderten die Kollektivbauern, daß der Brigadier Genosse Damsin spreche. Ihm fällt es aber schwer, er ist überhaupt etwas schüchtern, und heute sind auch noch die Kantonleiter in der Versammlung anwesend. Aber die Kollektivbauern fordern ihn auf.
,Genossen Kollektivisten! Wir sind fertig und ziehen zurück in unsere Kollektivwirtschaft. Aber...' Damsin hielt inne. ,Ich will bloß sagen, daß wir nicht heimkehren, um zu ruhen, sondern um unsere Arbeit im Kolchos so weiterzumachen, wie wir hier gearbeitet haben. Wir haben viel Arbeit und müssen den ersten Platz auch weiterhin behaupten...'
Die Kollektivbauern klatschten in die Hände. Das Blasorchester spielte einen Marsch. Die Musikklänge verloren sich in der weiten Steppe, und da war einem so wohl zumute, daß in der vor kurzem noch unbelebten Wolgasteppe fröhliche Musik erklingt, daß Tausende von Kollektivbauern energisch an einer so erhabenen Sache bauen, als ob sie alle aus einer einheitlichen Bruderfamilie seien.
,Ihr habt gut gearbeitet, Genossen', sagt der Vorsitzende des Vollzugskomitees des Lysanderhöher Kantonsowjets, Genosse Meißner. ,2156 Kubikmeter Erde habt ihr in neun Arbeitstagen ausgehoben, und die Bauleiter haben die Arbeit als ,ausgezeichnet' anerkannt. Dafür haben wir euch auch die Rote Ehrenfahne des Kantonparteikomitees und des Vollzugskomitees zugesprochen. Kämpft auch daheim in eurer Kollektivwirtschaft so, dann werdet ihr stets die Vordersten sein.'
Nach der Versammlung spielte das Orchester noch einige Walzer und Polkas, und die Kollektivbauern schwenkten sich froh im Kreise. Am Standort der Brigade führen drei Lastautos an. Sie wären mit Fahnen und Losungen geschmückt. Die Kollektivbauern bestiegen die Automobile und fuhren langsam vom Standort der Irrigationsbrigade.
,Auf Wiedersehen, Genossen!' riefen sie den Kollektivbauern zu.
,Auf Wiedersehen, Genossen!'
Die Mädchen stimmten ein wolgadeutsches Volkslied an und winkten zum Abschied mit ihren Taschentüchern."
Eine Woche später brach der Krieg aus. Viele, die beim Bau des Bewasserungsnetzes in der Wolga-Steppe mitgemacht hatten, trafen sich im Hinterland wieder - um Werke zu errichten, Metall zu schmelzen, Kohle zu fördern, Eisenbahnen zu verlegen, Holz zu fällen, kurz, um den Sieg über das faschistische Deutschland mitzuschmieden.
3
Mitte April 1942 kam ich nach Tscheljabinsk zum Einsatz an der Arbeitsfront. Zunächst arbeitete ich in einer Brigade, die Lagerräume für evakuierte Betriebsausrüstungen baute, dann wurde ich Buchhalter in der Verwaltung "Stroimechanisazia".
Doch die Feder eines Zeitungsmannes wollte ich nicht aus der Hand lassen.
Als am 1. Mai 1942 die Zeitung "Sa stalinski metall" als Ausgabe der Politabteilung von "Tscheljabmetallurgstroi" erschien, erwachte in mir sofort der Wunsch, über Menschen zu berichten, die vom ersten Kriegstag an auf dem Bauplatz mit voller Hingabe die Voraussetzungen dafür mitschufen, daß dem faschistischen Ungeheuer das Rückgrat gebrochen wurde. Sehr bald konnte mein Wunsch in Erfüllung gehen. In der Korrespondenz "Selbstloser Einsatz" schrieb ich im Juli 1942:
"Der Dreher Emil Mertens stand an seiner Maschine und hörte dem Mann zu, der über die Bedeutung unseres Bauvorhabens und die Rolle der Stachanow-Arbeiter in der bevorstehenden Stoßarbeitdekade sprach.
,Unsere Heimat macht schwere Tage durch, wir müssen ihr besser helfen, damit der unverschämte Feind möglichst bald zerschlagen wird', sagte Mertens spontan zu seinen Arbeitskollegen, ,der Mensch da hat recht, wir können und müssen besser arbeiten.'
Bald darauf trat Emil Mertens eine Nachtschicht an und entschloß sich, sie als Stoßschicht zu arbeiten. Er machte sich mit seinem Auftrag vertraut, besorgte sich die nötigen Werkzeuge und setzte seine Maschine in Gang. Der Meißel fraß sich in den Stahlbarren ein, die Späne kräuselten sich wie Tannenbaumflitter zu Boden. Emil fertigte ein Werkstück nach dem anderen an und stapelte sie neben der Werkbank auf. Er erfüllte diesmal sein Soll mit 250 Prozent.
Einmal, es war Ende Juni, ging Mertens in die Rote Ecke des Bautrupps, blätterte dort in den Zeitungen und stieß auf den Artikel Michail Scholochows "Die Wissenschaft des Hasses". Als er den Artikel gelesen hatte, war er zutiefst erschüttert. Auf seinem Arbeitsplatz erschien er, erfüllt von glühendem Haß gegen den verdammten Feind und von heißer Liebe zu seinem Heimatland.
Am Morgen sagte der Meister: ,Sie haben sich tüchtig ins Zeug gelegt, Genosse Mertens. Ihre Leistung beträgt 401,8 Prozent des Schichtsolls. So müssen wir immer arbeiten...'
Emil Mertens schaffte seine Norm in der Stachanow-Stoßdekade mit durchschnittlich 270 Prozent, was ein mitreißendes Beispiel für viele war."
Ich schrieb über Erdarbeiter, Zimmerleute, Elektroschweißer, die es im Schweiße ihres Angesichts auf 250 bis 350 Prozent Normerfüllung brachten, über unsere mechanische Werkstatt, die das Bauvorhaben mit Bolzen, Schrauben und anderen Teilen reibungslos zu versorgen hatte und mit dieser Aufgabe in Ehren fertig wurde.
Im Mai 1943 wurde ich, für mich ganz unverhofft, in die Politabteilung des Bauunternehmens eingeladen. Ihr Leiter Abram Woronkow sagte zu mir:
"Der Redakteur unserer Zeitung möchte Sie in der Redaktion als Mitarbeiter haben. Sind Sie einverstanden?" Mir pochte das Herz, wie wenn jemand darin mit dem Hammer "hantierte". Der Redakteur Wassili Bobylew zwinkerte mir zu, was soviel wie sage "ja" bedeuten sollte.
"Natürlich, mit Freude", erwiderte ich. "Ich hab' die Zeitungsarbeit sehr gern."
So wurde ich Mitarbeiter der Bauarbeiterzeiturig. Sie erschien zweimal wöchentlich auf vier Seiten, so daß wir reichlich zu tun hatten. Dort, wo früher außer Stock und Strauch nichts zu sehen war, erhoben sich jetzt zahlreiche Bauobjekte des künftigen Hüttenwerks, das Qualitätsstahl für Panzer und andere Waffen liefern sollte. Von Anfang an galt es, enorme Schwierigkeiten zu überwinden. In der Waldsteppe gab es weder eine Eisenbahnlinie noch sonstige Zufahrtswege, weder Obdach noch Trinkwasser. Die Bauleute mußten Schnee schmelzen und eine Art Erdkessel zur Speicherung von Tauwasser ausheben. Gleichzeitig wurden artesische Bohrungen niedergebracht. Im Sommer 1942 hatte bereits jeder Bautrupp eine normale Wasserquelle.
Ende 1943 arbeiteten am Bauvorhaben rund 44000 Mann, darunter etwa 24000 Sowjetdeutsche.
Der Leiter des ganzen Bauvorhabens A. N. Komarowski schrieb später in seinen "Aufzeichnungen eines Baufachmanns":
"Wenn ich mich an die Arbeit von ,Tscheljabmetallurgstroi' erinnere und sie analysiere, so möchte ich hervorheben: Daß die von der Partei und Regierung gestellten Aufgaben erfolgreich erfüllt wurden, ergab sich nicht nur aus dem allgemeinen Enthusiasmus und dem Bestreben, möglichst schnell Stahl für die Front zu liefern, sondern auch aus der frontähnlichen Ordnung, die auf der Baustelle herrschte. ,Befehl ist Gesetz' - dies war keine leere Phrase, sondern der allumfassende Arbeitsstil."
Viele leisteten hier weit mehr, als man ihnen überhaupt zumuten konnte. Als Mitarbeiter der Lokalzeitung hatte ich die Möglichkeit, alle Bauabschnitte zu besuchen, wo ich wahren Helden der Arbeit und flammenden Patrioten der Sowjetunion auf Schritt und Tritt begegnete.
Beim Bau der Elektroschmelzhalle traten die Schweißer Jakob Knorre und Andrej Wenz eine zehntägige Stachanowarbeitswacht an und erfüllten ihr Schichtsoll zu 250 bis 350 Prozent. Der erstere ging einmal 15 Stunden lang nicht vom Bauplatz, als es darum ging, den von Kollegen einer anderen Bauabteilung verschuldeten Ausschuß zu beseitigen. Die Baggermaschinisten Nikolai Istschenko, Andrej Gajewoj, Ambros Becker, Michail Pronin, Johannes Kußmaul, Alexander Schwab sorgten mit ihren längst veralteten Dampfkessel-Baggern für die rechtzeitige Verladung riesiger Mengen Schotter, Sand, Kies und anderer Baustoffe, wobei sie oft zwei Schichten ohne "auszuspannen" fuhren. Hingebungsvoll arbeiteten die Maurer und Verputzer. Wassili Stepanow, Alexander Kuhn und Eduard Grünwald schafften in einer Schicht bis zu vier Tagesaufgaben. Ludwig Werner aus dem mechanischen Reparaturwerk sagte jeden Montag eine Stachanow-Arbeitswacht an. Seine Leistung beim Zerkleinern der Gußbarren war acht bis zehnmal so hoch, als die Norm vorsah. "Jeder Hieb mit meinem Hammer ist ein Sargnagel für die faschistischen Barbaren", sagte er oft.
Dieser Arbeitselan trug bald Früchte: Am 19. April 1943 lief die Arbeit in der ersten Stahlschmelzhalle mit drei Öfen an; das bedeutete noch mehr Geschosse gegen die faschistischen Eindringlinge. Und im Mai des nächsten Jahres war die erste Baufolge des Hüttenwerks - ein Komplex aus Hochofen, Kokerei, Walzstraße, Wärmekraftwerk und Dutzenden Hilfsbetrieben - betriebsfertig.
Die Parteiorganisationen der Bautrupps waren, stets ihren Aufgaben gewachsen. 800 Kommunisten und über 900 Komsomolzen gingen überall mit gutem Beispiel voran, sorgten für effektive parteipolitische Massenarbeit, für die Aufrechterhaltung des patriotischen Bewußtseins der Bauleute, ihren selbstlosen Einsatz auf der Baustelle, für hohe Arbeitsdisziplin und Ordnung.
Ich kann mich noch ganz gut an die Parteisekretäre der größten Bautrupps erinnern, weil ich gern und oft dorthin kam, um Material über die aktivsten Kommunisten und Parteilosen für unsere Zeitung zu sammeln. Es wären Friedrich Dümel und Reinhold Loretz, Valentin Waimer und Eduard Großbach. Die beiden ersten leben noch. Friedrich Dümel war in der Nachkriegszeit in der Zeitung "Prawda Wostoka" als Leiter der Abteilung Parteileben tätig. Reinhold Loretz leitete jahrelang das Gewerkschaftskomitee des Bautrusts "Jushuralspezstroi" und wirkte dann als stellvertretender Chef einer Bauverwaltung. Heute sind sie schon im Ruhestand, stehen aber als Kommunisten von echtem Schrot und Korn nach wie vor ihren Mann. In der Kriegszeit kamen sie kaum dazu, mehr als vier, fünf Stunden zu schlafen: tagsüber besuchten sie die Baustellen, abends wurden Versammlungen abgehalten, Aussprachen, Dispute durchgeführt. Und natürlich wandten sie viel Energie auf, um die Politschulung wirksam zu organisieren.
Die Parteiorganisationen bildeten Agitbrigaden, bauten die Laienkunst auf, halfen, Kunstwerkstätten einzurichten, gaben Wandzeitungen heraus, in denen hervorragende Arbeitsleistungen propagiert wurden. Mit einem Wort, es gab alle Hände voll zu tun. Auf Anregung der Kommunisten spendeten die Bauleute 5 254 426 Rubel für den Bau einer Panzerkolonne und von drei Flugzeugen, den Soldaten und Offizieren der Nordwest-Front wurden 1065 Geschenke (Feuerzeuge, Mundstücke, Klappmesser u. ä.) geschickt.
1945 wurden zwei Kokereien, zwei Hochöfen, eine neue elektrische Stahlschmelzhalle, eine Walzstraße und viele andere Produktionsabteilungen ihrer Bestimmung übergeben. Unser Hüttenwerk wurde ein Betrieb mit vollem metallurgischem Zyklus.
Über all diese Taten berichtete unsere Zeitung, sie spiegelte den Elan, den Mut und die Hingabe der Bauarbeiter wider, erzog ihnen höheres Pflichtbewußtsein und Heimatliebe an. Ihr Bestes gaben dabei der erfahrene Redakteur Wassili Bobylew, meine Kollegen Nikolai Kuprijanow, Michail Kapustin und Juri Subow. Der letztere versorgte das Blatt mit Porträts der Bestarbeiter und anderen Fotos, die ihm meist großartig gelangen. Er schrieb auch humoristische Gedichte und Pamphlete und malte Karrikaturen, besonders auf die Leute, die mit dem Handel zu tun hatten und sich daran gesundstießen.
Auch ich trug mein bescheidenes Scherflein dazu bei, die Bauschaffenden zu aufopferungsvoller Arbeit zu begeistern, aufzuklären und zu erziehen. 1944 wurde ich mit der Herausgabe einer Sonderausgabe unserer Zeitung beauftragt. Wir setzten gerade alle Kräfte daran, den ersten Hochofen und das Wärmekraftwerk in Betrieb zu nehmen. Das Blatt war zwar sehr klein, etwa wie ein Schulheftblatt, aber es rief tagaus, tagein die Menschen auf, die Bauobjekte vorfristig fertigzustellen. Im zweiten Nachkriegsjahr wurde mir die Ehre zuteil, die ganze Redaktion eine Zeitlang zu leiten. Dann redigierte ich eine Zeitung, die "Uralez" hieß und einem anderen Wirtschaftszweig angehörte.